Samstag, 28. Oktober 2017

SONNENBLUMENBRÖTCHEN MIT ROGGEN & LEINSAAT (NACH JOCHEN GAUES)


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Immer wenn ich meine Heimatstadt Hamburg besuche, halte ich nach interessanten Bäckereien Ausschau. Vor zwei Jahren fiel mir eine Schlange vor einer Bäckerei in Eppendorf auf, ganz in der Nähe meiner Mutter.

Dieses Zeichen augenscheinlicher Kundenzufriedenheit schien mir verheissungsvoll, daher schloss ich mich der Warteschlange an, und sah mich neugierig bei Jochen Gaues um. Die Brote und Brötchen in Regalen und Auslage hatten alle eine auffallend dunkel Kruste - "kühn gebacken", wie Ken Forkish ("Flour, Water, Salt and Yeast") es nennen würde.

Ein Paradies für Liebhaber von krustigen Broten!

Ein Purist, wie Forkish, bäckt Jochen Gaues seine Brote ebenfalls nur mit Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Kein Backzusatzmittel, keine Konservierungsstoffe, keine künstlichen Aromen. Nur Sauerteig und Leidenschaft für sein Handwerk. Und er hat ebenfalls ein Buch ("Brot") über seine Backwerke verfasst.

Dieses schön bebilderte Buch hat leider einige Macken. Nicht nur, dass man bereits ein erfahrener Bäcker sein muss, um nach den arg knapp gehaltenen Anweisungen vorgehen zu können. Es haben sich auch ein paar gravierende Fehler in die Rezepte eingeschlichen (Kürbiskernbrötchen - ohne Kürbiskerne!)

Da mir bei Brotbackbüchern aber hauptsächlich interessante Rezepte und neue, mir unbekannte Techniken wichtig sind - ich passe sie sowieso meinen Vorlieben an - gefällt mir das Macken-behaftete Buch trotzdem recht gut.

Über diese Zutat freut sich die sparsame Bäckerin: aus Alt(brot) mach Neu 

Gaues Sonnenblumenbrötchen sind herzhaft, knusprig und lecker, mit einer eher fluffigen als dichten Krume. Sie schmecken mit Schinken oder Käse ebenso wie mit Honig oder Marmelade (für mich immer ein wichtiges Kriterium).

Meine Änderungen: ich habe den Sauerteiganteil ein bisschen erhöht, Sonnenblumenkerne und Altbrotkrümel geröstet, und die Methode auf - mein bevorzugtes - Strecken und Falten (à la Peter Reinhart) mit Übernachtgare umgestellt. Daher konnte ich auch die Hefemenge im Hauptteig etwas verringern (mangels Frischhefe verwende ich hier in Maine grundsätzlich Trockenhefe).

Anstatt die Brötchen nur mit Wasser einzusprühen - und die Sonnenblumenkerne bereits vor Verzehr abfallen zu sehen - bestreiche ich sie mit Eiweiss. Dann hält die schmackhafte Dekoration bestimmt, und ausserdem haben die Brötchen eine schönere Farbe!

Aussen knusprig, innen fluffig

SONNENBLUMENBRÖTCHEN  (nach Jochen Gaues: "Brot")
(8 Brötchen)

Sauerteig
  10 g kürzlich aufgefrischtes Anstellgut (TA 200)
  10 g lauwarmes Wasser
  10 g Roggenmehl Typ 1150

Quellstück
  25 g Roggenschrot (grob)
  25 g Leinsamen
  50 g Wasser

Hauptteig
  30 g Sauerteig
367 g Wasser (35°C)
    3 g Trockenhefe (oder 9 g frische Hefe)
475 g Weizenmehl Typ 550
  50 g altes Brot, geröstet und gemahlen
  25 g Roggenmehl Typ 1150
  25 g Sonnenblumenkerne, geröstet
  14 g Zucker
  14 g Salz

Eiweiss (mit etwas Wasser vermischt) zum Bestreichen
Sonnenblumenkerne zum Bestreuen

Quellstück und Sauerteig
1. TAG
Morgens: Sauerteigzutaten in kleiner Schüssel verrühren. Zugedeckt bei Zimmertemperatur 4 - 6 Stunden, oder so lange stehen lassen, bis er die Schwimmprobe besteht (d.h. so mit Gas gefüllt ist, dass ein Löffel voll im Wasser an der Oberfläche schwimmt).

In einer zweiten kleinen Schüssel Quellstück mischen. (Dieser zusätzliche Schritt ist nicht unbedingt nötig, aber harten Zutaten wie grobem Roggenschrot und Leinsamen tut längeres Einweichen gut.)

Nachmittags: Zutaten für den Hauptteig auf niedriger Stufe mischen, bis alles Mehl durchfeuchtet ist. 5 Minuten ruhen lassen, dann auf mittel-langsamer Stufe 6 Minuten lang kneten. Der Teig wird weich und klebrig sein, aber die Schüsselwände freigeben.

Der Teig wird klebrig sein, aber die Schüsselwände freigeben

Teig auf eine leicht eingeölte Arbeitsfläche geben. Mit eingeölten Händen zu einem ungefähren Rechteck drücken und ziehen. Wie einen Geschäftsbrief von oben und unten in drei Teile falten, dann das Gleiche von beiden Seiten wiederholen. 

Teig zu einem Rechteck drücken und ziehen...
...dann in drei Teile falten, von ober und unten...
...wie einen Geschäftsbrief.
Dann von beiden Seiten falten...
... bis man ein Päckchen hat

Teigpäckchen mit der umgestülpten Mixerschüssel zudecken (falls nötig, Arbeitsfläche nachölen). 10 Minuten lang ruhen lassen.

Das Strecken und Falten des Teigs noch 3 weitere Male in 10-minütigen Abständen wiederholen. Er wird sich schliesslich zunehmend schwerer dehnen lassen. Teig in einen eingeölten Behälter legen und zugedeckt über Nacht in den Kühlschrank stellen (ein viereckiger Container erleichtert am nächsten Tag das Formen).

Der Teig kommt über Nacht in den Kühlschrank
Am nächsten Morgen hat sich das Teigvolumen verdoppelt

2. TAG
Teig 2 Stunden vor Gebrauch aus dem Kühlschrank nehmen. Er soll sein Volumen verdoppelt haben.

Ofen of 240ºC vorheizen (ohne Dampf).

Teig auf eine leicht bemehlte Arbeitsfläche geben. Mit etwas Mehl bestäuben (er wird immer noch kleben), und sanft zu einem Rechteck drücken und ziehen. In 8 rechteckige Stücke schneiden. Teiglinge auf ein mit Backpapier belegtes (oder eingefettetes, perforiertes) Blech legen.

Die Brötchen werden geschnitten, nicht geformt

Brötchen mit Eiweiss bestreichen, dann mit Sonnenblumenkernen bestreuen (sanft andrücken). Zugedeckt 25 - 30 Minuten lang gehen lassen, bis eine mit dem Finger eingedrückte Delle sichtbar bleibt. (Da der Teig nicht geformt, sondern nur geschnitten wird, wird er nicht entgast und braucht nicht mehr lange aufgehen - im Prinzip nur bis der Ofen aufgeheizt ist).

Ofenfertige Brötchen

Brötchen ca. 20 Minuten lang backen (dabei einmal um 180 Grad drehen), bis sie dunkelgoldbraun sind, und die Innentemperatur mindestens 93ºC beträgt.

Frischgebackene Sonnenblumenbrötchen

Montag, 16. Oktober 2017

POLNISCHES KARTOFFELBROT - EIN LIEBLINGSBROT ZUM WORLD BREAD DAY 2017

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Mein Freund, Stanley Ginsberg, der als "The Rye Baker" amerikanische Bäcker für europäische Roggenbrote begeistert, hat vor einigen Jahren schon ein bemerkenswertes Backbuch veröffentlicht: "Inside the Jewish Bakery".

Die "Rezepte und Erinnerungen von Goldenen Zeitalter Jüdischer Backkunst" enthalten nicht nur viele wunderbare Gebäcke, sondern auch interessante Einzelheiten über das Leben jüdischer Gemeinden in Europa und den USA.

Ich war damals eine der Testbäckerinnen. Eins meiner Testrezepte war das Polnische Kartoffelbrot (jiddisch: Poylner Kartoffelbroyt) - mit seinem ungewöhnlich hohen Kartoffelgehalt ein faszinierendes Brot, aber, wie ich bald merkte, in seiner Herstellung etwas für unerschrockene Seelen.

Meine ersten Post-It-Notizen zum Rezept

Ich hatte Schwierigkeiten, die Wasserzugabe richtig einzuschätzen, dazu kam Stanleys düstere Warnung, den klebrigen Teig auf keinen Fall mit mehr Mehl gefügig zu machen, sonst würde ein Ziegelstein daraus werden.

Verzagt notierte ich: "kein Formen möglich".

Irgendwie ist es mir dann aber doch gelungen, den klebrigen Blob in die Backform zu befördern, sonst hätte ich später nicht enthusiastisch urteilen können: "ausgezeichneter Geschmack!"

Damals hatte ich noch keinerlei Erfahrung mit Klebeteigen. Inzwischen weiss ich besser, wie man ihnen zu Leibe rückt - das extra Mehl gehört auf die Arbeitsfläche, unter den Teig, nicht in ihn hinein!

Das Kartoffelbrot schmeckt getoastet besonders lecker

Die Klebrigkeit kommt übrigens nicht so sehr von der zugegebenen Wassermenge, sondern von den vielen Kartoffeln. Deswegen verarbeite ich den Teig auch nicht mit Strecken und Falten. 

Der hervorragende Geschmack hat mich aber angespornt, das leckere Kartoffelbrot immer wieder zu backen, und dabei am Rezept ein bisschen herumzubasteln, vor allem nicht alles Wasser auf einmal zum Teig zu geben, sondern etwas davon zurückzuhalten, und erst allmählich während des Knetens hineinzugiessen.

Ich freue mich über die Gelegenheit, dieses Lieblingsbrot anlässlich von Zorras World Bread Day 2017 meinen deutschen Freunden vorstellen zu können. 

Dank des hohen Kartoffelgehalts herrlich saftig

POLNISCHES KARTOFFELBROT (nach Stanley Ginsberg: "Inside the Jewish Bakery")

227 g mehligkochende Kartoffeln, geschält*) und in Stücke geschnitten
170 g Kartoffelkochwasser
4 g Trockenhefe (oder 12 g Frischhefe)
285 g Weizenmehl Typ 1050
9 g Salz
Pflanzenöl zum Bestreichen

*) amerikanische Kartoffeln haben dünnere Schalen als deutsche, ich brauche meine Kartoffeln daher nicht unbedingt zu schälen

Gekochte Kartoffeln abtropfen lassen und das Kochwasser auffangen

1. TAG
Kartoffeln in ca. 1/2 Liter Wasser weichkochen. Abtropfen lassen, dabei Kochwasser auffangen und 170 g davon abmessen. Kartoffeln stampfen. Auf Zimmertemperatur abkühlen lassen.

Unsere Mainer Kartoffeln brauche ich nicht zu schälen

Für den Teig Kartoffeln, Mehl, Hefe und 150 g vom Kochwasser auf niedriger Stufe mischen, bis alles Mehl durchfeuchtet ist. (Teig wird anfangs etwas trocken erscheinen, das ändert sich aber schnell).

Der Teig wird erst etwas trocken erscheinen....

...dann aber zunehmend klebriger werden

Salz dazugeben. Auf mittel-niedriger Stufe 10-12 Minuten lang kneten, dabei allmählich restliches Wasser hinzufügen. Der Teig wird bald klebriger werden (Kartoffeln!), aber am Schluss doch die Schüsselwänden freigeben. Kein weiteres Mehl dazugeben, sonst habt ihr nachher einen Ziegelstein!

Über Nacht kommt der Teig in den Kühlschrank

Teig in eingeölten Behälter geben und zugedeckt über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen. (Wenn ihr, wie ich, einen viereckigen Container benutzt, erleichtert ihr euch später das Formen des Brotes).

Über Nacht hat sich das Teigvolumen verdoppelt

2. TAG
Teig 2 Stunden vor Gebrauch aus dem Kühlschrank nehmen. Er soll sein Volumen verdoppelt haben, wird aber weiterhin sehr klebrig sein. Eine Kastenform (23 x 13 cm) einfetten.

Von einem groben Rechteck ausgehend, wird der Teig aufgerollt

Teig auf einer leicht bemehlter Arbeitsfläche mit bemehlten Händen (oder Teigabstecher) sanft zu einem groben Rechteck drücken und schieben. Von der Schmalseite her ein kleines Stück umfalten und sanft andrücken. In gleicher Weise weiter zu einem Zylinder aufrollen.

Hände (oder Teigabstecher) wieder bemehlen, und den Teigling mit der Naht nach unten in die vorbereitete Kastenform befördern.

Aufgerollten Teig mit der Naht nach unten in die Kastenform befördern

Ofen auf 190ºC vorheizen (ohne Dampf).

Teigling mit Öl bestreichen, und zugedeckt reifen lassen, bis die Wölbung des Brotes den Rand der Form erreicht hat und eine (sanft mit dem Finger) eingedrückte Delle sich nicht sofort wieder auffüllt (ca. 45-60 Minuten).

Bereit für den Ofen

Brot der Länge nach einschneiden (bei so feuchten Teigen eignet sich eine Schere oft besser als ein Lamé).

20 Minuten lang backen, zwecks gleichmässiger Bräunung um 180 Grad drehen, und in ca. 20 Minuten goldbraun ausbacken (Innentemperatur mindestens 90ºC). (Wenn das Brot sehr hell ist, bei abgeschaltetem Ofen und leicht geöffneter Tür noch 10 Minuten lang trocknen lassen).

Frisch gebackenes Kartoffelbrot

 Kartoffelbrot aus der Form nehmen und auf einem Gitter auskühlen lassen.

TIPP: Das Brot lässt sich sehr gut einfrieren. Wenn ihr es vorher in Scheiben schneidet, könnt ihr einzelne Scheiben zum Toasten entnehmen.

BreadStorm Benutzer (auch der kostenlosen Version) können die Formel hier herunterladen.


Mit amerikanischem Mehl gebacken, sieht die Krume heller aus

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