Montag, 2. Juni 2014

ECHTES BROT? WIRKLICH? - EIN GAST-POST VON DON SADOWSKY


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Nachdem ich Don Sadowsky's Gast-Beitrag "The Hole Truth" ("Die löchrige Wahrheit") auf Barbara's tollem Blog "Bread & Companatico" gelesen hatte, fühlte ich eine tiefe Seelenverwandschaft.

Angefangen mit seiner neuartigen Interpretation von Munch's berühmtem Bild "Der Schrei" - wie langweilig schien im Vergleich dazu mein 12. Klasse-Aufsatz zum gleichen Thema - philosophiert er über die Lochung von Brot, von der klümprigen Mehlgrütze des Höhlenmenschen bis hin zu Chad Robertson's heiligem Gral ultimativer Löchrigkeit.

Befeuert vom Wunsch, die lochvolle Diskussion fortzusetzen, lud ich Don dazu ein, mehr von seinen verblüffenden Einsichten mit uns zu teilen, und einen Gast-Post für meinen bescheidenen Blog zu schreiben. Dankenswerterweise nahm er an, und ich präsentiere euch voller Freude


ECHTES BROT - IHR LIEGT VÖLLIG FALSCH!

Ich habe eine Menge Respekt für Leute wie Daniel Leader. Er kommt extra aus den USA nach Europa angereist, ständig auf der Hut vor Steinschlägen, Fallen und erbosten Einheimischen, um DEN Mann zu finden, der das beste Kringenschmaltzenblinkenbrot der Welt bäckt.

Daniel Leader's Französicher Walnuss Levain - kein echtes Brot?

Dann verbringt er ein Jahrzehnt mit Stallausmisten, damit der Meister ihn in die Geheimnisse  einweiht, die er dann in einem Kochbuch für unseresgleichen niederschreiben kann. Ich habe einige seiner Brote gebacken, und sie sind fantastisch. Echtes Brot, sagen die Leute.

Wollt ihr wissen, vor wem ich noch grossen Respekt habe? Bäcker, die es fertigbringen, schwierige Zutaten, die seit Urzeiten der Herstellung von Ziegeln dienten, in wundervolle, luftige und perfekt geformte Laibe zu verwandeln. Brote, die besser sind, als alles, was ich jemals mit feinstem Weizenmehl, und einem Peter Reinhart, der mir mit hilfreichen Tipps über die Schulter guckt, zustandebringen könnte.

Sie nehmen 100% Einkorn oder Gerste, um einen Boule zu erzeugen, der ein stabilere Struktur als eine Hängebrücke hat (und dazu noch besser schmeckt!).

100% Einkornbrot - Brückenbauhilfe?

Wohlgeformte, beeindruckende Brote? Ganz bestimmt! Echte Brote, wie das Volk sie in alten Zeiten  ass? Eher nicht. Glaubt ihr wirklich, dass die meisten Leute liebevoll gebackene Laibe aus goldenem Weizen verspeisten, von Ähren, die sich in sanfter Brise wiegend, eines sonnigen Nachmittags von einer lächelnden toskanischen Ragazza in farbenfroher Tracht geerntet wurden?

Pah! Echte Brote wurden aus ranzigem, Kornkäfer-befallenen, schlecht gemahlenem Mehl hergestellt, vermischt mit jeglicher pulvrigen Substanz, die der Bäcker gerade zur Hand hatte. Mehl war nämlich teuer, und er musste das Brot ja zu dem Preis verkaufen, den die örtlichen Obrigkeit vorschrieb.

Nur Gott und der Bäcker wussten, was im Brot steckt

Kreide, Sägemehl, Gips, Alaun, Ton, Ammonium und Hanf waren nur ein paar der unnatürlichen Zusatzstoffe, die zum Vergrössern sowohl der Brote, wie auch des Bäckers Profits verwendet wurden. Klar, manche Leute konnten Schwarzmarktpreise für unverfälschtes Brot bezahlen, aber die Lumpenproletariat-Mehrheit hatte da keine Wahl.

Verbindet das Streben nach Authenzität mit dem riskanten Experimentieren mit frühenVorläufern glutenfreier Zutaten, und was kommt dabei heraus? Möglicherweise ein Desaster, aber wenn ein Desaster gut genug für unsere Vorfahren war, ist es auch gut genug für uns. Also folgt hier:


DON'S ECHTES BROT

Zutaten                Gewicht*        Bäcker-Prozentsatz**
Gips                             100g                25%
Kreide***                     100g                25%
Ton                              100g                25%
Sägemehl                    100g                25%
Hefe                                8g                  2%
Salz                                 8g                  2%
Wasser****                   280g               70%

* Trotz intensiver Suche (mindestens 45 Sekunden) war es mir nicht möglich, verlässliche Angaben darüber zu finden, wieviel von jeder Ersatzzutat üblicherweise verwendet wurde. Merkwürdigerweise hielten Bäcker derartige Informationen unter ihren mehlbefleckten Westen verborgen. Wer weiss das also? Deshalb nahm ich runde Summen.

** Die Berechnung des Bäcker-Prozentsatzes verursachte mir etwas Kopfzerbrechen, weil keine der trockenen Zutaten wirklich Mehl is. Aber da sie gegen Mehl ausgetauscht wurden, dachte ich mir, ich könnte sie als Mehl zählen. Bäcker-Mathe-Freaks, ihr dürft euch gern dazu äussern.

*** Profi-Tipp: Stampft die Kreidestücke vorm Mixen zu Pulver, falls ihr nicht vorhabt, mit dem Brot an der Tafel zu schreiben.

**** Ich habe ein bisschen gegoogelt, konnte aber keine Online-Quelle für garantiert choleraverseuchtes Wasser finden. Ich hoffe, ihr werdet diesen haarsträubenden Anachronismus entschuldigen.

Zubereitung:
1. Kauft die Zutaten bei eurem örtlichen Bäckerbedarfsladen:

Euer örtlicher Bäckerbedarfsladen hat alles, was für echtes Brot nötig ist

2. Mixen. Schmeisst alles in die hässliche Schüssel, die ihr zur Hochzeit bekommen habt und schon lange wegwerfen wolltet, aber nie dazu gekommen seid (anschliessend werdet ihr es bestimmt tun). Umrühren. KEINE AUTOLYSE – Gips wird hart.

Von oben links im Uhrzeigersinn: Ton*****, Sägemehl, Gips, Kreide

***** Ich kann schon das Nörgeln hören: “Das ist kein echter Ton, das ist Knete, du Blödmann, und die wird aus Weizen gemacht. Du schummelst!” Hört mal, ich weiss schliesslich nicht, was für eine Sorte Ton diese Bäcker benutzten – wenn sie bereit waren, Mehl durch Ton zu ersetzen, war ihr Ton vielleicht gar kein richtiger Ton. Macht doch irgendwie Sinn, oder?

Und überhaupt, wenn ihr wirklich Bäckerbrot aus richtigem Ton und dem Rest dieses Mülls machen könnt, dürft ihr diesen Post gerne selber schreiben.

3. Kneten. Lasst euren kostbaren Electrolux Assistent auf keinen Fall auch nur irgendwo in die Nähe dieses Schrotthaufens kommen. Streckt und faltet ihn mit blossen Händen. Habt keine Angst, euch dreckig zu machen, aber wascht euch vor und hinterher. Ein sauberer Bäcker ist ein gesunder Bäcker (das gilt besonders für Zutaten wie diese).

4. Reifen. Lasst ihn zwischen 5 Minuten und 2 Wochen reifen, es spielt wirklich keine Rolle.

Unser Teig, vor und nach dem Reifen. Sieht doch wie guter Wein aus, oder?

5. Formen. Ich denke da so etwa an Baggermatsch-Kuchen.

6. Aufgehen. Gebt euch keine Mühe.

7. Backen. Zwecks Vermeidung gefährlicher Dämpfe entschied ich mich, bei 21° C zu backen. Diese
Temperatur bringt eine Reihe wesentlicher Vorteile mit sich: kein Aufheizen nötig, kein Brandrisiko für Hände oder Brot, und keine Abkühlperiode. Ehrlich, ich verstehe überhaupt nicht, warum nicht alle Brote so gebacken werden.

Zum Erzielen der mir vorschwebenden Krumenstruktur vollendete ich den Laib mit meinem speziellen Krumenverbesserungsgerät:

Krumenverbesserungsgerät - auch für Schweizer Käse geeignet!

Und, voilà, grobes, echtes Brot, genau das, was die Stadtleute zu essen pflegten!

Grobes, echtes Brot (nach Krumenverbesserung)

************* Nicht zu Hause ausprobieren. Sonst drohen Krankheit oder übler Geschmack.

Ich habe Don's Original-Post sinngemäss ins Deutsche übertragen. Für einige nicht übersetzbare Wortspiele - hole (= Loch) klingt wie whole (= ganz), holey (= löchrig), klingt wie holy (= heilig) - habe ich mich bemüht, Entsprechendes auf Deutsch zu finden.Das "echte Brot" ziert mittlerweile auch die "Vorspeisenplatte" der Kaltmamsell. Guten Appetit, Christiane!

4 Kommentare:

  1. LOL, als nächstes gibt es die Anleitung wie man die Löcher in den Käse bekommt? Da kannst Du den Bohrer gleich weiterverwenden. Gott, was habe ich gelacht. Besten Dank an Dich!

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    1. Gern geschehen! Ich hoffe, dass Don uns noch mehr solcher Perlen seiner Weisheit beschert. Manchmal muss man einfach nur etwas zum Lachen haben.

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  2. Löcher in den Käse werden doch mit einem Gewehr eingeschossen ;-)

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  3. Au, Mann, Ulrike - das hab ich gar nicht gewusst. Natürlich hast du Recht! Das jährliche Käselöcherschiessen ist ja ein alter, alpenländischer Brauch!

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