Als ich den besten aller Ehemänner fragte, mit welchem Kuchen ich ihn zum Geburtstag beglücken sollte, war ich sicher, dass er sich wieder "Sachertorte" wünschen würde (Er bestellt auch immer Wiener Schnitzel, wenn wir in Deutschland sind). Er grinste mich aber spitzbübisch an, und antwortete prompt: "SOUR CHERRY PIE!".
Daran wäre eigentlich auch nicht auszusetzen - ich liebe Pies - wenn es hierbei nicht um ein heisses Eisen ginge. Meine selige Schwiegermutter war nämlich eine hervorragende Köchin, und, obwohl sie, genau wie ich, erst nach ihrer Heirat Amerikanerin wurde, meisterte sie dieses angloamerikanische Gebäck hervorragend.
Meine ersten Versuche, eine Piekruste herzustellen, endeten so ähnlich, wie meine ersten Bemühungen, Muffins zu backen. Als Deutsche gewöhnt, Kuchenteige so gründlich zu verrühren, dass kein loses Mehl mehr übrig bleibt (und schon gar kein Butterklumpen!), ähnelten meine Muffins Mini-Rührkuchen, und meine Pie Crusts Mürbeteig.
Mit meinem ersten, nach stundenlanger Arbeit erzielten Machwerk konfrontiert, gab mein Liebster die schicksalshaften Worte von sich: "It's not bad, but not quite right, it's not like my mother's. Her sour cherry pie is the best!"
Ich schwor mir, es besser zu machen. Bei meinem nächsten Versuch fiel meine Kruste zwar schon etwas blättriger aus, und ich war auch nicht mehr so in Schweiss gebadet, aber:
"It's not like my mother's - her crust is really flaky!"
Schliesslich gelang es mir, nach aufmerksamer Lektüre diverser Backbücher und Kochmagazine, eine buttrige Pie Crust herzustellen, die weder zäh, noch allzu brüchig war, und sich in einem Stück in die Pieform befördern liess.
"Not bad," meinte mein Angetrauter - aber die Kirschfüllung seiner Mutter schmecke doch irgendwie besser! Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich schwor mir, nie wieder eine Sauerkirsch-Pie zu backen, solange grober Undank und unschmeichelhafte Vergleiche in diesem Haushalt zu erwarten waren.
Ich hatte dabei mehrfach den Versuch unternommen, meiner venezianischen Schwiegermutter zu Lebzeiten das Geheimnis ihrer Cherry Pie zu entlocken. Aber sie entzog sich geschickt allen schmeichelnden Ausspähversuchen, und auf plump-direkte Fragen behauptete sie nur, sie sei alt, und habe vergessen, wo das Rezept sei.
Aber Geburtstag ist nun mal Geburtstag, und ich hatte dem besten aller Ehemänner ja voreilig versprochen, jeglichen Kuchenwunsch zu erfüllen (sind Pies eigentlich überhaupt Kuchen?).
Die Kruste stellte kein Problem mehr dar. Die idiotensichere Pie Crust mit Wodka von "Cook's Illustrated" macht sich den Umstand zunutze, dass Alkohol dem Mehl zwar Feuchtigkeit liefert, aber, im Gegensatz zu Wasser, nicht zur Bildung elastischer Gluteinstränge führt. (Keine Sorge, man schmeckt den Wodka nicht).
Zuviel Wasser macht eine Piekruste zäh, genauso wie zu langes Kneten. Eine Pie Crust soll zart und blättrig sein, das erreicht man nur durch eiskalte Zutaten (damit die Butter nicht weich wird),
Ich mag die Pie-Kruste gern etwas herzhafter, und tausche meist ein Viertel Weizenmehl durch Vollkornweizen oder Dinkel aus, oder 2 Esslöffel des Mehls durch gemahlene Nüsse.
Frische Sauerkirschen sind hier in Maine leider nur schwer zu finden - und meine eigene Ernte fiel dies Jahr noch etwas zu spärlich aus. Daher nehme ich die leicht gesüssten Sauerkirschen aus dem Glas.
Unsere kleine Sauerkirsche trug dies Jahr 5 Kirschen! |
Die Pie hat eine geflochtene Teigdecke, die äusserst dekorativ aussieht, und leichter zu machen ist, als sie aussieht. Eine Anleitung für das Pie-Gitter (Lattice Top) findet ihr hier.
Ihr könnt die Kruste mit einem Food Processor oder mit der Küchenmaschine zubereiten. Ihr müsst dabei nur bedenken, dass die Fette für den Blitzhacker eiskalt sein, für die Küchenmaschine aber besser Zimmertemperatur haben sollten.
355 g Mehl (ich habe 2 EL durch gemahlene, leicht in der Pfanne angeröstete Mandeln ersetzt)
1/2 TL Salz
2 EL Zucker
170 g kalte*) Butter, in 1/2 cm dicke Scheiben geschnitten
80 g kaltes*) Pflanzenfett, in 4 Stücke geschnitten
60 ml kalter Wodka (unbedingt nötig, siehe Hinweis oben)
60 ml kaltes Wasser
*) wenn ihr einen Mixer anstelle eines Food Processors benutzt, sollte das Fett Zimmertemperatur haben!
KIRSCHFÜLLUNG
65 g Zucker (
2 gestrichene EL Stärkemehl (Mais oder Kartoffel)
1 Prise Salz
750 g Sauerkirschen, entsteint (Glas), abgetropft (40 ml von der Flüssigkeit aufbewahren)
1 TL Vanilleextrakt oder 1 P. Vanillezucker
1/2 - 1 TL abgeriebene Zitronenschale
Zubereitung mit Food Processor:
200 g (1 1/2 Tassen) von dem Mehl mit Salz und Zucker kurz vermischen. Butter und Pflanzenfett dazugeben und so lange pulsieren, bis sich unregelmässige Klümpchen (wie Hüttenkäse) bilden und kein loses Mehl mehr übrig ist. Teig von der Schüsselwand herunterschaben und wieder gleichmässig in der Schüssel verteilen.
Restliches Mehl dazugeben und 4 - 6 mal pulsieren, bis die Mischung wieder gleichmässig in der Schüssel verteilt und grössere Klumpen aufgebrochen sind. In eine mittelgrosse Schüssel umfüllen.
Zubereitung mit Küchenmaschine:
Butter und Pflanzenfett sollten Zimmertemperatur haben. 2/3 des Mehls, Salz und Zucker kurz bei mittel-niedriger Stufe mixen, bis sie sich gerade vermischt haben. Butter und Pflanzenfett hinzugeben und nur so lange mixen, bis der Teig sich gerade eben um die Quirle oder das Paddel zusammenballt.
Teig von der Schüsselwand, den Quirlen (oder dem Paddel) mit einem Plastikteigschaber herunterkratzen, und das restliche Mehl dazugeben. Ganz kurz auf mittel-hoher Stufe mixen, bis der Teig gerade eben in kleinere Stücke zerfallen ist. In eine mittelgrosse Schüssel umfüllen.
Wodka und Wasser auf den Teig sprenkeln. Mit einem Plastik-Teigschaber untermischen, (so als ob man Eiweiss unterhebt), dabei den Teig nach unten drücken, bis er zusammenklebt (wenn irgendwo noch loses Mehl sein sollte, leicht mit Wodka anfeuchen).
Teig in zwei gleiche Portionen teilen und jede zu einer 10 cm ø Scheibe formen. Einzeln in Plastik einwickeln und mindestens 45 Minuten (oder bis zu 2 Tagen) in den Kühlschrank stellen.
Eine Teigplatte aus dem Kühlschrank nehmen und auf einer grosszügig bemehlten Arbeitsfläche zu einem Kreis von 30 cm ausrollen (3 mm dick). Teig lose um die Teigrolle aufrollen und in die Pie-Form abrollen, wobei ringsherum ein Überhang von mindestens 2.5 cm bleiben soll.
Ohne den Teig zu dehnen, im Kreis herum den Rand mit einer Hand anheben und mit der anderen sanft in den Pieform-Boden drücken. Den Überhang hängen lassen. Wieder für 1/2 Stunde in den Kühlschrank stellen. (In der Zwischenzeit die Füllung zubereiten).
Für die Füllung in einer kleinen Schüssel Zucker, Stärkemehl und Salz verrühren. Kirschen in eine grosse Schüssel geben. Zucker-Stärkemischung darüber streuen und mit den Kirschen darin wälzen, bis alles gut verteilt ist.
Vanille und Kirschflüssigkeit dazugeben und alles gut vermischen. Kirschen sofort in die Pieform füllen und mit den Butterflöckchen belegen. Pie wieder kühlstellen.
Für das Pie-Gitter die zweite Teigplatte ebenfalls zu einem 30 cm Durchmesser-Rund ausrollen. Mit Teigrädchen oder scharfem Messer in 16 Streifen schneiden (2 cm breit).
Die eine Hälfte der Streifen horizontal über die Kirschfüllung legen (mit langem Streifen in der Mitte anfangen).
Den 2., 4., 6. und 8. Streifen in der Mitte falten und nach links umklappen. Dann einen langen Streifen vertikal in die Mitte der Pieform legen (über die nicht zurückgefalteten Streifen). Die umgeklappten Streifen wieder zurückfalten, sodass sie über dem vertikalen Streifen liegen.
Jetzt den 1., 3., 5. und 7. Streifen nach links umklappen. Einen weiteren Streifen vertikal auf die Füllung legen. Die umgefalteten Streifen zurückklappen, sodass sie über dem zweiten vertikalen Streifen liegen.
Mit diesem Flechten weitermachen, bis die eine Hälfte der Pie bedeckt ist. Dann die andere Seite flechten, dabei jeweils den zweiten Streifen nach rechts falten. Wenn die Lattice Crust fertig ist, überhängende Streifen einkürzen, bis sie bündig mit dem Rand der Pieform abschliessen.
Den Überhang der Bodenplatte anheben und über die Streifenenden falten. Mit einer Gabel gut zusammendrücken. Pie nochmal 30 Minuten lang in den Kühlschrank stellen (oder 15 Minuten ins Tiefkühlfach).
Ofen auf 220º C vorheizen, dabei ein umgedrehtes Kuchenblech auf die unterste Schiene stellen und mit aufheizen.
Die Pie auf das vorgeheizte Blech stellen und 15 Minuten lang backen. Temperatur auf 180ºC zurückschalten und 40 - 50 Minuten weiterbacken, bis die Kruste tiefgoldbraun aussieht, und die Füllung an den Rändern Blasen wirft.
Auf einem Kuchengitter auf Zimmertemperatur abkühlen lassen.
TIPP: Wer die Pie gern warm isst, kann sie ca. 10 Minuten lang in vorgeheizten Backofen bei 175º C anwärmen. Man kann die Cherry Pie auch gut einfrieren - in Plastikfolie eingewickelt in einem Gefrierbeutel.
Höchstes Lob: "ALMOST as good as my mother's!" |
Apple Pie ist definitiv ein Kuchen, dazu fällt mir doch gleich gedeckter Apfelkuchen ein.
AntwortenLöschenUlrike @Küchenlatein
Ja, Ulrike, hab ich schliesslich auch eingesehen - sonst hätte ich wohl versucht, mich herauszureden!
AntwortenLöschenKarin
Danke für die Information. Ich habe mich eingeschrieben.
AntwortenLöschenEin kleiner Hinweis: Sie könnten jemanden gebrauchen, der Korrektur liest, das Deutsch ist zum Teil ein bisschen holprig :)
Karin